First Shift (2024) | Film, Trailer, Kritik (2024)

Das Bohei, das um Uwe Bolls Person und Werk gemacht wird, ist aufregender als die meisten seiner Filme. So schlecht, wie viele Kritiker meinen, sind diese allerdings auch wieder nicht. Als Boll 2016 mit dem letzten Teil seiner „Rampage“-Trilogie werbewirksam seinen Rücktritt erklärte, war das Kino-Zeit eine kleine Rückschau wert. Lange hielt der gebürtige Wermelskirchener allerdings nicht die Füße still. Der Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020 motivierte Boll dazu, auf den Regiestuhl zurückzukehren und strafte alle ihm wohlgesinnten Kritiker Lügen. Auf dieses Machwerk folgt mit „First Shift“ nun ein Polizeifilm der etwas anderen Art.

Auf den ersten Blick wirkt alles vertraut. Deo Russo (Gino Anthony Pesi) ist ein Cop alter Schule, der sich nach außen so kühl wie sein spartanisch möbliertes New Yorker Apartment gibt. Seinen Kaffee trinkt der Einzelgänger selbstredend schwarz. Worte wechselt er nur wenige. Und wenn er dann doch einmal über Gott und die Welt drauflos schwadroniert, dann schimmert in diesem unbequemen Typen auch ein wenig von Bolls Persona durch. Als er von seiner Chefin die neue, ohne Punkt und Komma plappernde und permanent in den sozialen Netzwerken postende Kollegin Angela Dutton (Kristen Renton) aufs Auge gedrückt bekommt, ist er alles andere als angetan.

Ein bad cop trifft auf einen good cop, ein harter Haudegen auf einen naiven Novizen, ein von der Welt Desillusionierter auf jemanden, der noch daran glaubt, die Welt verbessern zu können. Diese von Boll selbst erdachte Ausgangslage ist nicht neu und wurde in zahlreichen Spielarten vom komödiantischen Buddy Movie in Nur 48 Stunden (1982) bis zum knallharten Thriller in Training Day (2001) zigmal durchgespielt. Neu ist indessen, dass Boll das Ganze vollkommen antiklimatisch erzählt.

Parallel zur ersten gemeinsamen Schicht, die dem Film den Namen gibt und während derer sich der „göttliche“ Deo und die „engelsgleiche“ Angela erst ordentlich zoffen und schließlich zusammenraufen, laufen gleich zwei weitere, tödlich endende Handlungsstränge: eine Mafia- und eine Familiengeschichte. Deren Zusammenhang zur Haupthandlung löst sich erst ganz am Ende auf. Die Haupthandlung selbst verläuft indessen völlig ereignislos. Zwar laufen Deo und Angela den Verbrechern über den Weg, aber auch achtlos an diesen vorbei, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, um wen es sich handelt.

Stattdessen schaut Boll den beiden Polizisten bei ihrem unspektakulären Arbeitsalltag zu, was zu vielen Gesprächen im Dienstwagen, bei der Kaffeepause, bei einem gemeinsamen Mittagessen mit der Chefin und rund um verschiedene Einsatzorte führt. An einem davon sammelt Deo einen von seinem Besitzer zurückgelassenen Hund ein, der sein kaltes Herz schließlich doch noch auftaut. Fast scheint es so, als hätte Uwe Boll die Antithese eines Uwe-Boll-Films machen wollen. Während das Kinopublikum in jeder Minute damit rechnet, dass es nun endlich irgendwo so richtig kracht, unterläuft der Regisseur ein ums andere Mal die Erwartungshaltung und präsentiert ihm stattdessen seine Version von Mein Partner mit der kalten Schnauze (1989).

Uwe Boll dürfte vielen ein Begriff sein, selbst wenn sie noch nie einen seiner Filme gesehen haben. Denn der 1965 geborene Hobbyboxer und Doktor der Philosophie ist, wenn schon kein Meisterregisseur, so doch ein Meister der Selbstvermarktung. Mit gleich mehreren Goldenen Himbeeren, darunter eine für sein Lebenswerk bedacht und von Kritikern wahlweise als „der Sohn von Ed Wood“ oder gleich als „der schlechteste Regisseur aller Zeiten“ geschmäht, stieg er mit einigen von ihnen persönlich in den Ring, um ihnen ihre Verrisse aus den Leibern zu prügeln. Und bevor er das Filmemachen 2016 erstmals auf eigenen Entschluss hin an den Nagel hängte, gab es eine Online-Petition, die ihn dazu aufforderte.

Egal ob man Boll abgrundtief hasst oder aufgrund des Trashfaktors kultisch verehrt, eins muss man ihm lassen: Die clevere Finanzierung vieler seiner Filme und die geschickte Planung der Dreharbeiten, die in Zeiträume fallen, während der prominente Schauspieler gerade nichts zu tun haben, ermöglichen es ihm wiederholt, große Namen vor die Kamera zu holen. Wie viele deutsche Filmschaffende können schon von sich behaupten, mit Ben Kingsley (Bloodrayne), Jason Statham und Ray Liotta (Schwerter des Königs), Christian Slater (Alone in the Dark) oder J.K. Simmons (Postal) gearbeitet zu haben?

Große Namen sucht man in First Shift indessen vergeblich. Bolls neuster Film ist ein kleiner, allerdings eben auch kein feiner Polizeifilm. Dafür sind auch dieses Mal die Figuren zu schablonenhaft, viele der Dialoge zu hölzern und wird die alles in allem solide Inszenierung durch die Kombination von Aufblenden, Ausleuchtung und Kameraführung stellenweise die Anmutung eines Amateurfilms nicht los.

Normalerweise würde ein Film dieser Qualität direkt auf dem Heimkinomarkt landen. Doch damit ist inzwischen, wie Boll bereits selbst beklagt hat, nicht mehr viel Geld zu verdienen. Und da Bolls langjähriger Freund Michael Roesch, seines Zeichens Kinobetreiber und Geschäftsführer des Kinostar Filmverleihs als ausführender Produzent mit an Bord ist, kommt First Shift auch auf die große Leinwand. Von den Besucherzahlen wird vermutlich abhängen, ob es eine Fortsetzung geben wird. Ein zweiter Teil wir am Ende zumindest angeteasert. Ob dieser dann endlich in typisch Bollsche Kanäle münden oder weiterhin in ungewohnt ruhigem Fahrwasser verlaufen wird, scheint nach der Sichtung des ersten Films völlig offen.

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Author: Aron Pacocha

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